5.4.2010, Newsletter 10/2010
Am 5. April 2010 haben wir Bildungsminister Kessler folgenden offenen Brief geschrieben:
"Nachdem in den letzten Tagen an den Schulen nach und nach die Beiträge für die Ausleihe von Schulbüchern für das Schuljahr 2010/2011 bekannt werden, befürchten wir, die Landeselterninitiative für Bildung, dass die Kosten aus dem Ruder laufen und deshalb das System insgesamt in Gefahr gerät.
In Ihrem Rundschreiben an die Landeselternvertretungen haben Sie am 29. Januar 2010 geschrieben: "Die Entgelte müssen so gestaltet sein, dass die Wiederbeschaffung der Schulbücher für jede Schule grundsätzlich aus den eingegangenen Leihentgelten sowie aus den Landesmitteln, aus denen die Entgelte förderberechtigter Schülerinnen und Schüler erbracht werden, erfolgen kann. ... Mein Haus hat daher zur Festlegung der Leihentgelte einen Algorithmus vorgegeben, der auf elektronischem Weg aus den Schulbuchlisten der jeweiligen Schule das voraussichtlich kostendeckende Leihentgelt ermittelt. ... Das auf diesem Weg ermittelte Leihentgelt einer jeden Schule soll für das Schuljahr 2010/11 an Grundschulen nicht mehr als 60 €, an Gesamtschulen und Erweiterten Realschulen nicht mehr als 85 € und an Gymnasien nicht mehr als 90 € betragen. An den beruflichen Schulen sollen die Obergrenzen für die Leihentgelte - je nach Schulform - zwischen 30 € und 90 € betragen. Bei Überschreiten der Obergrenze für das Leihentgelt an einer Schule erfolgt eine gesonderte Prüfung durch das Bildungsministerium vor der Festlegung des Leihentgeltes. Ich gehe nicht davon aus, dass es notwendig werden wird, diese Grenzen voll auszuschöpfen. Dennoch wird es sich nicht vermeiden lassen, dass die Leihentgelte an einigen Schulen ansteigen, zumal es sich bei den Werten für das Schuljahr 2009/10 um Mittelwerte handelte und die Preise für Schulbücher zum Teil erheblich gestiegen sind."
Wir begrüßen es grundsätzlich, dass sich Familien finanziell entlasten können, indem sie an einer Ausleihe teilnehmen können, wenn schon eine echte Lernmittelfreiheit von der Landesregierung nicht gewollt ist. Vor der Landtagswahl hat das Ministerium den Eltern noch mehrfach versichert, dass die Leihgebühren unter Einbeziehung von Erfahrungen aus anderen Bundesländern verlässlich kalkuliert worden seien. Eine Erhöhung, wie sie sich nun abzeichnet, lässt sich nicht damit erklären, dass man damals "Mittelwerte" genommen habe und die Preise für Schulbücher gestiegen seien. Wenn, und dies nur als Beispiel vorweg, an einem Gymnasium ein - vom Ministerium gedeckelter - Betrag von 110 Euro genommen wird, in dem aber - anders als in den 60 Euro des vergangenen Jahres - Atlas, Musikbuch und Bibel sowie Arbeitshefte noch nicht mal enthalten sind, dann wäre dies mehr als eine Verdoppelung.
Eine genaue Betrachtung der uns vorliegenden Zahlen zeigt, dass insbesondere an Gymnasien die Ausnahme zur Regel wird und die Leihentgeltgrenze von 90 € bei über 80% der Schulen mit Genehmigung des Ministeriums überschritten ist. Auch bei den Gesamtschulen liegt des genehmigte Entgelt bei jeder 5. Schule über der festgelegten Grenze von 85 €. Es ist für die Eltern nicht zu verstehen, wieso so unterschiedliche Gebühren zustande kommen. Wird etwa an manchen Standorten auf Kosten der Qualität gespart? Ebenso bedenklich finden wir, dass - wie uns auf telefonische Anfrage bei den Kommunen bestätigt wurde - bei Grundschulen vielerorts auf Wunsch des Ministeriums Unterrichtsmaterialien, die Pädagogen als wichtig erachten, aus den Listen gestrichen wurden. Auch sollen Bücher aus einer auf Wunsch des Ministeriums noch zu schaffenden "Präsenzbibliothek" vor Ort für den Unterricht entliehen werden. Deren Kosten, Finanzierung bzw. Organisation ist bislang noch völlig ungeklärt. Wie es aussieht, bleiben die Kommunen auch teilweise auf Kosten sitzen, wie bereits im letzten Jahr, als schon zum Start ein deutliches Defizit erkennbar war. Bis heute sind auch diese zusätzlichen Kosten den Kommunen nicht beglichen.
Es scheint uns, dass Rationalisierungseffekte bei diesem zentral gelenkten System nicht genutzt werden. Wir verstehen auch nicht, wieso die Gebühren so hoch sind, obwohl doch nach unseren Informationen Teilnehmer am Ausleihsystem (anders als Nichtteilnehmer) in den Genuss des 12 %-Rabattes kommen sollen, den das Land mit den Schulbuchverlagen ausgehandelt haben soll.
Bis vor die letzte Woche vor den Osterferien soll an der Schulbuchverwaltungssoftware selbst, mit der die Elternbeiträge berechnet werden, gearbeitet und sollen die Kosten zwischen Ministerium und Schulen hin und her gerechnet und vom Ministerium teilweise "gedeckelt" worden sein, ohne dass die Berechnung selbst transparent wird. Besonders kritisch sehen wir neben den inzwischen hohen Beiträgen, dem hohen jährlichen Aufwand für Verwaltung und Logistik die erst noch bevorstehende Phase am Ende des Schuljahres. Dort sind noch mehr Arbeit und Schwierigkeiten zu erwarten, wenn Bücher zurückgenommen werden, ihr Zustand zu bewerten ist und ggf. Schadenersatz verlangt werden muss.
Als neuer Bildungsminister müssen Sie sich dringend des Themas annehmen und ernsthaft prüfen, welche Alternativen realisierbar wären.
Wir listen Ihnen mal unsere Informationen (teilweise aus Ihrem Haus, teilweise von Schulträgern) auf, die uns zu diesen Schlüssen kommen lassen:
Leihentgelt Stand 31.3.2010 (für die noch ausstehenden Schulen sollen die Leihentgelte unmittelbar nach den Osterferien festgelegt werden)
Grundschulen:
Leihentgelt genehmigt für bisher 139 Schulen, davon liegen 3 (2,2%) über der Leihentgeltgrenze von 60 €
ERS:
Leihentgelt genehmigt für bisher 49 Schulen, davon liegen 2 (4,1%) über der Leihentgeltgrenze von 85 €
Gesamtschulen:
Leihentgelt genehmigt für bisher 15 Schulen, davon liegen 3 (20,0%) über der Leihentgeltgrenze von 85 €
Gymnasien:
Leihentgelt genehmigt für bisher 34 Schulen, davon liegen 28 (82,4%) über der Leihentgeltgrenze von 90 €
berufl. Schulen:
Bsp. Regionalverband, beantragt: 35 €-110 €
Zusätzliche Informationen von Kommunen als Schulkostenträger der Grundschulen:
2009:
ermittelter Bedarf ca. 60-70 € je nach Klassenstufe, Gebühr einheitlich 40 €, Defizit 20-30 €/Schüler, auf denen die Kommunen sitzen bleiben (Finanzierung bislang ungeklärt)
2010:
ermittelter Bedarf ca. 75 €, nach Streichen von Arbeitsmaterialien (müssen Eltern selbst kaufen, falls der Lehrer diese verwenden möchte) und Büchern aus der Liste (sollen aus Präsenzbibliothek für den Unterricht entliehen werden), ca. 60 €, Gebühr 60 €. Zudem sollen die Kommunen eine Präsenzbibliothek einrichten und unterhalten. Finanzierung?
Rabatt:
alle Preise gerechnet ohne Rabatte. Rabatt beträgt einheitlich 12 %. Wie rechnet die Software diesen mit ein, falls überhaupt?
unklar:
Personalzuschuss 9 €/Schüler. Wann und wie? Z.B.soll nichts bezahlt werden, wenn keine neue Stelle eingerichtet wurde, d.h. falls eine Kommune einen Angestellten beauftragt, der dies mit erledigt, wird nicht gezahlt. Zudem reichen die 9 € nicht aus. Kosten sollen ca. doppelt so hoch sein."
(Ende des Briefs)