Die Landeselterninitiative für Bildung hat Saar-Bildungsminister Schreier, der zugleich 1. Vizepräsident der Kultusministerkonferenz ist, dazu aufgerufen, die Kritik des UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung nicht lapidar zurückzuweisen. Gerade das Saarland zum Beispiel benachteilige mit seinem Schulsystem ausländische Kinder. Sie hätten beim Vergleich der Bundesländer die zweitschlechtesten Chancen, einen mittleren Bildungsabschluss oder das Abitur zu erreichen und die Wahrscheinlichkeit, eine Sonderschule für Lernbehinderte zu besuchen, sei fast dreimal so groß. Allgemein auch läge das Land in erfolgreichen Schulabschlüssen sowie mittlerer Reife und Abitur weit unter dem Bundesdurchschnitt. Überdurchschnittlich viele Schüler müssten die Klasse wiederholen. Stattdessen sollte die Landesregierung das öffentliche Interesse an besserer Bildung sowie die gerade vorgelegten Studien aufgreifen und ein Bildungskonzept vorlegen, mit dem das Saarland in die Aufstiegszone gelangt. „Wir Eltern wollen keinem Bildungskrieg zusehen müssen, der an lang überholte Kulturkämpfe erinnert und die Ressentiments und den Triumph der Rechthaber hervorruft, sondern Schulen, in denen Kinder länger gemeinsam lernen und die prekäre außerschulische Bedingungen sowie individuelle Leistungsunterschiede ausgleichen“, sagte der Sprecher der Initiative Bernhard Strube.
Die Diskussion über Bildung und Erziehung hat in den letzten Tagen zusätzlichen Schub bekommen. Nach den Empfehlungen des Aktionsrates Bildung, auf ein zweigliedriges Schulsystem umzustellen, hat Anfang dieser Woche das ifo−Institut für Wirtschaftsforschung eine Studie vorgelegt, die nachweist, dass Bundesländer mit späterer und geringerer Selektion der Schüler deutlich höhere Chancengleichheit erreichen und dass die Leistungen darunter nicht leiden. Unterschiede, die bereits durch eine Verlängerung der Grundschule um zwei Jahre bewirkt werden, bringt ein Bundesland vom 40. auf den 10. Platz im internationalen Schulranking.
Wie die Landeselternvertretung Gymnasien hat die Landeselterninitiative für Bildung Bildungsminister Schreier aufgefordert, die geplante neue gymnasiale Oberstufe nicht schon für die Schüler einzuführen, die sich kurz vor der Oberstufe befinden (heutige 9. Klassen). Wenn die Kultusministerkonferenz den Ländern schon bis zum Abitur im Jahr 2013 Zeit lasse, das betrifft die heutigen 6. Klassen, dann sollte die Zeit genutzt werden, die Schülerinnen und Schüler in der Mittelstufe auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Dazu müssten dort schon die Kernfächer gestärkt und die Lehrpläne entsprechend angepasst werden. Als Eingeständnis einer unzureichenden Vorbereitung sehen die Eltern die Tatsache, dass seit kurzem an den Gymnasien ausgeschrieben ist, dass die heutigen 9. Klassen im Wahlpflichtbereich der Oberstufe (ab 10. Klasse) eine Wiederholung und Vertiefung zentraler Lerninhalte der Klassenstufen 5 bis 9 belegen können.
Bereits im Dezember 2006 hat die Landeselterninitiative für Bildung zusammen mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft auf Verwerfungen durch das achtjährige Gymnasium hingewiesen und vor kurzfristigen Veränderungen der Oberstufe gewarnt. Ausgestaltung und Handhabung des achtjährigen Gymnasiums verstärkten Benachteiligungen durch eine Überlastung der Kinder im 10. bis 12. Lebensjahr und durch die Fokussierung im frühen Jugendalter auf Unterricht, ohne dass dabei die anderen Entwicklungsaufgaben in diesem Lebensabschnitt angemessen berücksichtigt würden. Ohne wirksame Unterstützung im Hintergrund z.B. durch Eltern, andere Erwachsene, Nachhilfe sei Schulerfolg im G8-Gymnasium schwieriger geworden.
Ganztagsangebote erweiterten die Lernkultur, teilten die Experten mit. "Die pädagogische Arbeit der Schulen ist durch den Ganztagsbetrieb differenzierter und vielfältiger geworden." Die Schüler hätten die Angebote grundsätzlich positiv beurteilt. "Sie sehen dort ihre Interessen eher berücksichtigt als im Unterricht und erleben die soziale Beziehung zu den Erwachsenen positiver", so die Forscher bei der Vorlage erster Ergebnisse. In einem großen Teil der Schulen müssten aber die pädagogischen Ziele geschärft und lernorientierte Angebote verbreitert werden.
An der "Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen" sind das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung, das Deutsche Jugendinstitut sowie das Institut für Schulentwicklungsforschung an der Universität Dortmund beteiligt. Die ersten Ergebnisse beruhen auf einer Erhebung vom Frühsommer 2005, bei der knapp 65.000 Schüler, Eltern, Lehrer, Schulangestellte sowie externe Kooperationspartner an 373 Schulen in 14 Bundesländern befragt wurden. Eine zweite Befragung läuft derzeit bundesweit an, eine dritte ist für 2009 geplant. Bei der Studie gilt eine Schule als Ganztagsschule, wenn sie an mindestens drei Tagen der Woche sieben Stunden lang geöffnet hat.
Migranten beurteilen Ganztagsangebot besonders positiv. Die Ganztagsangebote erreichen nach Einschätzung der Forscher auch benachteiligte Gruppen. Auf die Entscheidung der Schüler und Eltern, an freiwilligen Angeboten teilzunehmen, hätten soziale Herkunft und Migrationsstatus erfreulicherweise keinen Einfluss. "Schüler mit Migrationshintergrund beurteilen den Nutzen der Angebote für ihr Lernen sogar besonders positiv", hieß es. Insgesamt sei die Teilnahmequote jedoch oft hinter den Erwartungen zurückgeblieben. So nehmen in offenen Ganztagsschulen, bei denen die Teilnahme freiwillig ist, im Schnitt 40 Prozent der Schüler Ganztagsangebote wahr. "Vor allem bei den Älteren ab Klasse sieben finden Ganztagsangebote wenig Zuspruch."
Den Angaben nach gestalten zwei Drittel der Schulen den Ganztagsbetrieb zusammen mit Kooperationspartnern, vor allem mit Sportvereinen, mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie mit Betrieben, Bibliotheken und Musikschulen. Befürchtungen, Ganztagsschulen würden zur Konkurrenz für Vereine und andere lokale Akteure, hätten sich nicht bestätigt. (tso/dpa)
Die Presseerklärung der Projektkoordination am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung steht hier zum Download zur Verfügung. Die Präsentation der Ergebnisse der Ausgangserhebung finden Sie hier.