Etwa 400 Schülerinnen und Schüler wiederholen im Saarland jährlich freiwillig das Schuljahr, 2.900 aber müssen wiederholen (250.000 sind es in Deutschland). Hinzu kämen jährlich 1.000 Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium abbrechen müssten. Auf diese "schulische Praxis des Versagens" hat die Landeselterninitiative für Bildung zum Beginn des neuen Schuljahres aufmerksam gemacht. "Es muss endlich über das pädagogisch fragwürdige und aufwändige Sitzenbleiben und das Auslesesystem an Schulen nachgedacht werden", sagte der Sprecher der Initiative Bernhard Strube. "Nie mehr sitzen bleiben und individuelle Förderung als Pflichtfach für Schulen" sollten ehrgeizige Bildungsziele der Landesregierung werden. Die Eltern appellieren an Bildungsministerin Kramp-Karrenbauer, in diese Richtung ein Zeichen zu setzen.
Mehrfach sei inzwischen wissenschaftlich belegt, dass das Wiederholen einer Klasse "nicht einmal einen individuellen Lernzuwachs in den Fächern bringt, die Grund der Nichtversetzung waren". In den meisten Fällen trete ein Lern-Stillstand ein, weil auch in den übrigen Fächern lediglich Stoff wiederholt werde. Dies führe bei vielen Schülern zum "innerlichen Abschalten". Sitzenbleiben bringe also keine Verbesserung des individuellen Leistungsvermögens. Es sei beschämend, so die Eltern, wie oft in unserem Bildungswesen die Herkunft eines Menschen seine Zukunft belaste. Zum Beispiel bekämen Kinder, deren Eltern nicht studiert haben, nur ein Drittel der Chancen zum Besuch des Gymnasiums wie ihre Altersgenossen aus Akademiker-Haushalten, und während von denen 83 von 100 studieren, sind es bei den Nichtakademiker-Kindern von 100 nur 23. Für Kinder aus Zuwandererfamilien sei die Chance, eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen, nur halb so groß wie für Kinder aus einheimischen Familien. Auf diese Verhältnisse habe der Bundespräsident in seiner Berliner Rede im Juni aufmerksam gemacht.
Schulen müssten zukünftig die Verantwortung für individuelles Fördern übernehmen, anstatt diese abzuwälzen, indem man die Schüler los wird oder sitzen bleiben lässt. So habe im Übrigen die Erfolgsgeschichte Finnlands begonnen. Rechne man die 4.300 Euro hoch, die im Saarland jährlich für einen sitzen bleibenden Schüler aufgebracht werden, dann ergäben sich 12,5 Mio Euro bzw. rund 250 Lehrer (50.000 Euro Personalkosten pro Lehrer im Jahr), die man den Schulen für Anreiz- und Unterstützungssysteme zur Verfügung stellen könne. Dies könne zum Beispiel geschehen, indem man Schulen, die Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen unterrichten, mehr Lehrer zur Verfügung stellt und indem Ressourcen für individuelle Unterstützung und Förderung aufgebaut werden. Darüber hinaus sei eine pädagogisch sinnvolle Abwechslung von längeren Lerneinheiten und Freizeitgestaltung erforderlich, was nur in rhythmisierten, echten Ganztagsschulen realisierbar sei.