22.8.2011, Medienmitteilung
Die Landeselterninitiative für Bildung hat den Modellversuch "Fördern statt Sitzenbleiben" von Bildungsminister Kessler in den Klassenstufen 5 und 6 an elf Gymnasien ausdrücklich begrüßt. "Wir freuen uns, dass Bewegung in diese weit verbreitete schulische Praxis des Versagens kommt und das pädagogisch fragwürdige sowie aufwändige Sitzenbleiben und das Auslesesystem an Gymnasien grundsätzlich angepackt werden", sagte Bernhard Strube, der Sprecher der Initiative. Dies mache Mut zu wünschen, dass der Minister den konzeptionellen Ansatz auch in die Mittelstufe weiterführt. Hier und da gäbe es an Gymnasien schon Bemühungen. Der Minister zeige aber mit seinem Projekt, dass "von oben" gewollt ist, Verantwortung für individuelle Förderung und Herausforderung zu übernehmen, anstatt diese abzuwälzen, indem man die Schüler los wird oder sitzenbleiben lässt. Mehrfach sei inzwischen wissenschaftlich belegt, dass das Wiederholen einer Klasse "nicht einmal einen individuellen Lernzuwachs in den Fächern bringt, die Grund der Nichtversetzung waren". In den meisten Fällen trete ein Lernstillstand ein, weil auch in den übrigen Fächern lediglich Stoff wiederholt werde. Dies führe bei vielen Schülern zum "innerlichen Abschalten". Sitzenbleiben bringe also keine Verbesserung des individuellen Leistungsvermögens. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung von Anfang 2010 habe im Übrigen ergeben, saarländische Schüler am zweithäufigsten unter ihren Mitschülern in den Bundesländern Nachhilfe brauchten.
Die Elterninitiative setzt sich dafür ein, dass Konzepte für individuelle Förderung und Herausforderung den Schulen verbindlich vorgeschrieben werden, etwa im Schulordnungsgesetz oder einer Verordnung, einschließlich entsprechender Fortbildung und berufsbegleitender Unterstützung für Lehrer. Je nach Anteil der Schüler aus benachteiligenden Lebensumständen müsse mehr Lehrerzeit zur Verfügung gestellt werden. Verbindlich müssten Sozialpädagogen mitwirken, als "Unterstützer des Lernens und der Schulentwicklung". Als Vorbild dient ihnen Hamburg. Dort wurde im September 2010 ins Schulgesetz geschrieben: § 3 (1): "Eine Lernkultur mit stärkerer und dokumentierter Individualisierung bestimmt das schulische Lernen." § 45 (4): "Die nähere Ausgestaltung der Versetzung, der Wiederholung, des Aufrückens, der individuellen Förderung sowie der Einstufung und der Umstufung erfolgt durch Rechtsverordnung."
Rechnet man die 4.600 Euro (Ausgaben je Schüler im Saarland nach Stat. Bundesamt 4/2011) hoch, die im Saarland jährlich für einen sitzenbleibenden Schüler aufgebracht werden, dann ergeben sich 8,3 Mio Euro bzw. rund 165 Lehrer (bei rund 50.000 Euro Personalkosten pro Lehrer im Jahr), die man den Schulen für Anreiz- und Unterstützungssysteme zur Verfügung stellen könnte. Dies könnte zum Beispiel geschehen, indem man Schulen, die Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen unterrichten, mehr Lehrer zur Verfügung stellt und indem Ressourcen für individuelle Unterstützung und Förderung aufgebaut werden.
Etwa 200 Schüler wiederholen im Saarland jährlich freiwillig ein Jahr, 1.800 an allen Schulen aber müssen sitzenbleiben.