25.03.2019, Medienmitteilung des Bündnisses für inklusive Bildung
25.03.2019, Newsletter 6/2019
Zum 10. Jahrestag (26.3.2019) der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) fordert das „Bündnis für inklusive Bildung“ deutlich mehr Anstrengungen von Land, Schul- und Jugendhilfeträgern, um eine hochwertige Qualität inklusiver Bildung in allen saarländischen Schulen zu gewährleisten und bedarfsgerechte Unterstützungssysteme zu implementieren.
Mit dem einstimmigen Beschluss, die UN-BRK im saarländischen Schulordnungsrecht umzusetzen, hat der Landtag im Jahr 2014 zu inklusiver Bildung in der Regelschule verpflichtet. Dieser Verpflichtung, allen Schülern in der Regelschule optimale Bildungschancen zu bieten, unabhängig von ihren persönlichen Voraussetzungen, steht immer noch eine hohe Exklusion junger Menschen entgegen: Im Saarland besuchten 2018 noch rund 3.400 Kinder und Jugendliche eine Förderschule, damit fast 70 mehr als 2017. 38 Prozent dieser Schüler haben die wissenschaftlich kaum haltbare Diagnose „Lernbehinderung“, die in den meisten europäischen Ländern gar nicht existiert. An dieser hohen Exklusion zeigt sich ganz klar, dass ein inklusives Schulsystem noch in den Kinderschuhen steckt und dringend weitere Maßnahmen zur Umsetzung chancengerechter Bildung erforderlich sind:
Inklusive Schulen brauchen multiprofessionelle Teams, um die vielfältigen Herausforderungen des veränderten Schulalltages zu meistern. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule muss gewährleistet sein und die Schulsozialarbeit ausgebaut werden. Noch immer gibt es nicht annähernd ausreichende Stunden sowohl von Regel- als auch von Sonderpädagogen und unterstützendem Fachpersonal. Das „Mehr“ an Personal verschiedener Qualifikationen ist aber Voraussetzung für ein echtes Schul-Wahlrecht von Kindern mit Förderbedarf.
Was tut die Landesregierung dafür, sonderpädagogische Fachkräfte zu gewinnen bzw. im Land zu halten und damit dem eklatanten Fachkräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken? Denkbar wäre die Einführung eines Lehramtsstudiums für Inklusionspädagogik mit den Schwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung bzw. eine anerkannte berufsbegleitende Weiterbildung für sonstige Lehrkräfte.
Die schulische Praxis zeigt, dass sich immer noch nicht alle pädagogischen Fachkräfte an den Schulen ausreichend für inklusive Bildung qualifiziert sehen. Deshalb muss dieses Thema in allen drei Phasen der Lehrerbildung verpflichtend implementiert werden. Alle Lehrerinnen und Lehrer, die bereits an Schulen arbeiten, müssen durch eine Fortbildung im Umgang mit Heterogenität inklusionspädagogisch und fachdidaktisch nachqualifiziert werden.
Die Bündnis-Organisationen bedauern auch, dass immer noch eine von der Politik eingeleitete breite öffentliche Debatte über Inklusion als Leitidee der Teilhabe an Bildung fehlt. Deshalb soll die Landesregierung verpflichtet werden, mit einem beteiligungsorientierten und alle zwei Jahre zu erstattenden Bericht an Landtag und Öffentlichkeit über den Stand der schulischen Inklusion im Saarland transparent Rechenschaft abzulegen.
Hintergrund zur UN-Behindertenrechtkonvention
Mit der Ratifizierung der UN-BRK am 26. März 2009 wurde ein völkerrechtlich verbindlicher Perspektivenwechsel in Deutschland eingeleitet: Im Sinne der UN-BRK werden Menschen mit Behinderungen nicht mehr als Objekte der Fürsorge betrachtet, sondern als Menschen mit gleichen Rechten auf wirksame Teilhabe in allen Lebensbereichen (Bildung, Wohnen, Arbeit, Mobilität u.a.). Inklusion ist demnach ein Menschenrecht, zu dessen Sicherstellung zügig entsprechende Vorkehrungen in allen Handlungsbereichen zu treffen sind.
Hintergrund zum Bündnis für inklusive Bildung
Das „Bündnis für inklusive Bildung“ hat sich im Herbst 2016 zur Vorbereitung und Durchführung der Jubiläumsfeier und des Forums „Mut zur inklusiven Schule – 30 Jahre Integration als Erfahrungsschatz im Saarland“ gegründet und setzt sich seitdem für die Verbesserung entsprechender Rahmenbedingungen im Bildungswesen ein. Für alle Kinder müssten Bedingungen in den Regelschulen hergestellt werden, die ihre Entwicklung fördern. Zu den Bündnispartnern gehören u.a. der Verein Miteinander Leben Lernen (MLL), die Arbeitskammer des Saarlandes (AK), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Saarland (GEW), die Landeselterninitiative für Bildung e.V., die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und die Gesamtlandeselternvertretung (GLEV). Die Organisationen verstehen sich als zivilgesellschaftliche Bewegung für Bildungsgerechtigkeit.